Buchtipps für Wörterliebhaber

Ich mag es sehr, dass es so viele Menschen gibt, die sich in eigenen Blogs mit der Welt der Literatur auseinandersetzen. Während andere Sterne, Wölkchen, Bücher oder Frösche als Bewertung verteilen, werde ich aber darauf verzichten. Denn ich halte nichts davon, ein Buch abzuwerten, nur weil es meinen Geschmack nicht getroffen hat. Einem anderen könnte es doch gefallen und er/sie ließe sich so vielleicht vom Lesen abbringen. Daher erwähne ich hier nur Bücher, die mir gefallen haben und die ich ausnahmslos zum Lesen empfehlen kann. Und wenn es euch dann nicht gefällt, seid ihr zumindest um eine Erfahrung reicher. Zu kaufen in der örtlichen Buchhandlung oder im Antiquariat. Lest!

Meg Wolitzer: Die Interessanten

Die Geschichte einer lebenslangen Freundschaft beginnt für Jules, Ethan, Jonah, Cathy, Ash und Goodman in einem Sommerlager außerhalb von New York. Die Irrungen und Wirrungen des Lebens - sie sind vielfältig und fordern die sechs in ihrer Freundschaft beständig heraus. Meg Wolitzer verfolgt die so unterschiedlichen Lebenswege der Jugendlichen, die allzu bald zu Erwachsenen werden, in sehr feinfühliger Weise. Ich mochte ihre Schreibe und eben Geschichte dieser Freundesclique, zu der man irgendwie gern gehören würde.

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Sándor Márai: Die Eifersüchtigen

Der nahende Tod des Vaters bringt Péter Garren und seine Geschwister Anna, Tamás, Albert und Edgár in ihr Elternhaus zurück. Dort werden sie mit einem feinmaschigen Netz aus Erinnerungen und Prägungen konfrontiert. Sándor Márai - was können wir Literaturliebhaber glücklich sein, dass er über seinen Tod hinaus wiederentdeckt und wiederverlegt wurde und wird. Er ist eben schlicht einer der größten Erzähler, die wir haben.

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Donna Tartt: Der Distelfink

Als Theo Decker dreizehn Jahre alt ist, verliert er seine Mutter durch ein tragisches Unglück. Er versinkt in tiefer Trauer. Auch das Gemälde, das verbotenerweise in seinem Besitz ist und ihn an seine Mutter erinnert, kann ihm keinen Trost spenden ... Was soll man anderes dazu sagen, als dass es ein weiteres Meisterwerk aus der Feder von Donna Tartt ist?! Unbedingt lesen, am besten gleich nach "Die geheime Geschichte". Nur nicht von den tausend Seiten abschrecken lassen!

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Zoe Heller: Tagebuch eines Skandals

Eine Lehrerin beginnt eine Affäre mit einem Schüler und wird dann auch noch von einer Kollegin mehr oder weniger erpresst. Ich hatte damals den Film mit Cate Blanchett und Judi Dench angeschaut und bin irgendwie erst kürzlich auf das Buch gestoßen. Man liest sich in einen wahren Sog hinein, dem man kaum entwischen kann. So atemlos man den Film schaut, so atemlos liest man auch das Buch.

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Guelfenbein: Die Frau unseres Lebens

Revolution, Exil und eine (scheinbare) Liebe zu dritt - aus diesen Zutaten hat Carla Guelfenbein ihren Roman "Die Frau unseres Lebens" zusammengefügt. Die Lebenswege der drei Studenten Antonio, Theo und Carla kreuzen sich ganz unvermittelt. So schnell sie sich kennengelernt haben, so schnell trennen sich auch ihre Wege wieder. Bis 15 Jahre später das Telefon klingelt und kurz darauf wieder alle an einem Tisch sitzen. Die Erinnerungen werden wieder wach und selbst 15 Jahre konnte ihrer gegenseitigen Liebe nichts anhaben. Ob die glücklichen Tage der Jugend wiederkehren? Ein herrlicher Roman, ich habe jede Seite genossen.

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André Aciman: Acht helle Nächte

Wer André Acimans "Ruf mich bei deinem Namen" vorher kannte, dürfte auch von "Acht helle Nächte" nicht enttäuscht sein. Vom ersten Moment an, dem ersten Zusammentreffen der beiden Protagonisten, sitzt man eigentlich mit ihnen im Boot und schaukelt auf den Gefühlswallungen von "wird es was" oder "das ist zum Scheitern verurteilt". Manchmal will man einfach rufen: Nun greift doch zu! Und ich glaube, jeder, der kurz davor ist, "so etwas Großes" mit einem anderen Menschen zu beginnen, glaubt und zweifelt und hadert und wünscht und wütet - was am Ende dabei rauskommt, muss man aber schon selber lesen! Unbedingt!

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Joachim Meyerhoff: Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war

Wie das wohl ist, auf dem Gelände einer Nervenheilanstalt aufzuwachsen? Meyerhoff spürt dem nach, und das in komischer, ironischer, ernster, einfühlsamer, völlig überdrehter Art und Weise. Weise ist das Buch übrigens auch und ebenso zu empfehlen wie der erste Teil ("Amerika") seiner "Alle Toten fliegen hoch"-Trilogie. 

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William Coles: Das limonengrüne Zimmer

17 Jahre alt und im College, das klingt erstmal nach viel Unabhängigkeit, doch nicht, wenn man in Eton ist und sich vielen Regelungen unterwerfen muss. Der 17-jährige Kim ist einer von ihnen ... bis er seine neue Klavierlehrerin kennenlernt und die beiden bald mehr teilen als ihre Leidenschaft für die Musik. Das limonengrüne Zimmer wird zu ihrem ersten heimlichen Treffpunkt.

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Brigitte Reimann: Franziska Linkerhand

Wer auch immer Britte Reimanns "Franziska Linkerhand" als Bewertung nur einen Stern, einen Punkt, eine Wolke oder was auch immer gibt - sorry, aber der hat keine Ahnung. Hier lasse ich nicht mit mir diskutieren. "Franziska", wie Brigitte Reimann ihr Buch liebevoll nannte, ist ihr Lebenswerk, im wahrsten Sinne des Wortes. Zehn Jahre hat sie daran geschrieben, beenden konnte sie es aufgrund ihres viel zu frühen Todes allerdings nicht. Wie Franziska Linkerhand, so hat auch Brigitte Reimann im Leben gekämpft, auch wenn man manche Kämpfe schon verloren hat, bevor man sie überhaupt angetreten hat.

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Elsa Osorio: Mein Name ist Luz

Elsa Osorios Roman "Mein Name ist Luz" ist eine faszinierende Suche der Protagonistin nach der eigenen Identität. Osorio schreibt einfühlsam und herzerwärmend, lässt dabei die schrecklichen Seiten des "schmutzigen Krieges" in Argentinien aber keinen Moment aus den Augen. Die Erzähler/innen wechseln fließend, man ist quasi "drin" in mehreren Figuren. Ein fesselnder, spannender, trauriger Roman.

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Mhairi McFarlane: Wir in 3 Worten

Ein zauberhaftes Buch, das man an zwei Nachmittagen durchliest und mit einem Lächeln und einem seligen "Hach" ins Bücherregal zurückstellt. Sehr unterhaltsam, lustig, anrührend und - natürlich! - herrlich romantisch!

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Sacheri: Vier Jungs auf einem Foto

Ich hatte einst "In ihren Augen" von Eduardo Sacheri gelesen, war begeistert und verlor ihn dann ein wenig aus meinen Augen. Nun habe ich ihn mit "Vier Jungs auf einem Foto" wiederentdeckt - und bin sehr froh darüber. Ein unterhaltsamer, rührender, lustiger Roman um eine große Freundschaft.

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Michael Köhlmeier: Die Abenteuer des Joel Spazierer

Großartig. Großartig. Großartig. Michael Köhlmeier ist - wie auch bei "Madalyn" und "Die Musterschüler" - ein wunderbarer, sprachgewandter Erzähler. Unbedingt empfehlenswert!

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Behrend: Die Bräutigame der Babette Bomberling

Ich wünsche mir eine große Neuentdeckung der Alice Berend. Sie ist so nah dran an den "kleinen Leuten" im "alten Berlin", schreibt witzig und voller Mitgefühl. Sie trägt das Herz auf der Zunge und spart in ihren Büchern nicht mit klugen Lebensweisheiten. Alice Berend ist unbedingt zu empfehlen!

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Philippe Besson: Zeit der Abwesenheit

Philippe Bessons Roman "Zeit der Abwesenheit" ist eines jener Bücher, von denen man mit Glück sagen sagen, sie nicht schon vor zehn Jahren gelesen zu haben - weil man sonst nicht die Freude empfinden könnte, es gerade jetzt für sich zu entdecken. Die bewegenden Erkenntnisse über die Liebe und den Krieg folgen einem noch sehr lange nach.

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Alain Claude Sulzer: Postskriptum

Eigentlich wollte sich der Schauspielstar Lionel Kupfer in den Schweizer Bergen nur auf die nächste große Rolle vorbereiten, doch die Machtübernahme der Nazis macht ihm als Juden die Rückkehr nach Deutschland unmöglich. Sulzer schreibt eindringlich von den Schwierigkeiten, im Exil Fuß zu fassen, vom Verlust eines geliebten Menschen und der großen Sehnsucht, es doch noch zu schaffen.

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Jean-Michel Guenassia: Der Club der unverbesserlichen Optimisten

Ich zitiere mal Christoph Vormweg vom Deutschlandfunk: "Die Weltgeschichte wird in diesem spannenden, vielstimmigen und immer wieder berührenden Buch auf ihre Konsequenzen für den einzelnen Menschen hin abgeklopft. So werden die hohlen Versprechungen der Ideologen unweigerlich genauso entlarvt wie die irrsinnig leichte Verführbarkeit so vieler Zeitgenossen." Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

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Joel Dicker: Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert

Im Garten des berühmten Schriftstellers Harry Quebert wird eine Leiche gefunden. Wenn es sich dabei um die seinerzeit verschwundene 15-jährige Nola handelt, ruht sie dort seit mehr als 30 Jahren. Hat der Autor das Mädchen getötet? Und wie steht diese Geschichte in Verbindung mit seinem großen Roman, den er dort, am Ort des Todes, einst geschrieben hatte? Joel Dicker hat da eine feine Kriminalgeschichte mit vielen Verwicklungen, Einbahnstraßen, Lügen und Geheimnissen geschrieben, die spannend, romantisch und traurig ist und sich wunderbar liest.

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Jean Mattern: September

Die fröhlichen Spiele soll die Olympiade in München 1972 werden. Und das sind sie auch, bis zu jenem schrecklichen Wendepunkt, als ein Teil der israelischen Mannschaft überfallen, gekidnappt und getötet wird. Mattern hat darin die Geschichte einer Begegnung eingebettet: die zwischen einem BBC-Reporter und einem Journalisten aus New York. Sie gehen den Geschehnissen auf die Spur und fühlen sich - so überraschend es auch sein mag - über die Arbeit hinaus zueinander hingezogen.

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Michael Köhlmeier: Die Musterschuler

Dass Internate eine kleine Welt für sich sind, haben Literatur, Film und Wirklichkeit schon oft unter Beweis gestellt. Hier gelten oft eigene, für die Außenwelt manchmal nicht nachvollziehbare Regeln und Bande innerhalb der Schülerschaft. Köhlmeier geht meisterhaft der Frage nach, wie kollektive Gewalt entsteht und scheinbar zum Selbstläufer wird, und dass es doch immer wieder Einzelne gibt, deren Gewissen auch nach Jahren noch Antworten auf lange Zeit verdrängte Fragen fordert.

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Eshkol Nevo: Wir haben noch das ganze Leben

Wie bei den meisten Lieblingsbüchern geht das so: Man ist mit dem Lesen noch nicht mal fertig, sondern erst auf Seite 150 ... aber schon da ist man traurig, dass der Roman in absehbarer Lesezeit zu Ende sein wird. Eshkol Nevos Roman ist so ein Buch: Eine Geschichte von Freundschaft, Liebe und Enttäuschungen, eine wahre Hymne auf die Freundschaft. Beim Lesen merkt man selbst, wie wichtig sie auch für das eigene Leben sind, die Freunde. Unbedingt lesen! Und ich sag es nochmal: Unbedingt lesen!

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Mario Vargas Llosa: Ein diskreter Held

Es ist ein echter Mario Vargas Llosa - was soll man dazu noch mehr sagen?! Ein großartiges Buch über die Kraft der Liebe, die hinterlistige Leidenschaft, die glühende Hitze Südamerikas und den "kleinen Mann", der sich gegen die Unwirtlichkeiten des Lebens durchsetzen will. Das ist nicht nur tolle Leseunterhaltung, sondern ganz große Literatur!

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Lion Feuchtwanger: Exil

Lion Feuchtwangers Wartesaal-Trilogie findet mit "Exil" ihr würdiges Finale. Ende der 1930er Jahre geschrieben, hat der Roman wirklich nichts von seiner Aktualität verloren. Es ist erschreckend, wie sich die Stimmungen in Deutschland und der Welt in den 1930er Jahren und heute gleichen ...

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Edith Wharton: Ein altes Haus am Hudson River

Was für ein virtuoses Buch! Edith Wharton ist eine meisterhafte Erzählerin! Die vielen Seiten gleiten beim Lesen geradezu durch die Finger - und der dicke Wälzer ist viel schneller zu Ende, als man dachte. Bleibt zu hoffen, dass auch die Fortsetzung bald in (wieder toller) Übersetzung folgen wird!

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Alan Pauls: Geschichte der Haare

Alan Pauls schreibt großartig. Erst konnte ich nicht glauben, dass es das ganze Buch lang tatsächlich um Haare gehen würde - da habe ich mich zwar getäuscht, war aber alles andere als enttäuscht. Herrlich, amüsant, interessant. Man möchte gleich jeder Friseurin und jedem Friseur die Lektüre des Romans ans Herz legen! So haben Sie noch nie über Haare nachgedacht, versprochen.

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